23. November 2019 bis 6. Jänner 2020
Das Jahresende widmet das Künstlerhaus Bregenz der Zeichnung und der Malerei. Dabei werden drei Positionen in Einzelausstellungen präsentiert. Veronika Dirnhofer, Christian Eder und Harald Grünauer, alle Mitglieder der Berufsvereinigung bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs, arbeiten sehr unterschiedlich. Und doch verbindet sie eine poetische Auseinandersetzung mit der Zeit, der Zukunft, unserer Umgebung.
Veronika Dirnhofer
I CARE FOR YOU
Veronika Dirnhofer
Viele sehen uns, 2019
„Unser Haus brennt“ twitterte Manuel Macron im August 2019. Ein später Aufruf zu globaler Verantwortung für unseren gemeinsamen Planeten – wir stecken in einer selbstverschuldeten existentiellen Klimakrise für unseren Lebensraum, und dennoch scheint das alles wenig zu nützen um unser tägliches Handeln weitgreifend zu verändern. Die Natur nicht mehr mitzuspielen am Erfolg der Zivilisation. Der Weg Mensch Maschine Ausbeutung zeigt uns große Probleme auf. Die Natur steht den Menschen nicht mehr zur Verfügung. Sie spielt verrückt und brennt an vielen Stellen, sie überhitzt. Das Leben anderer Arten und Kreaturen muss uns wichtiger werden. Wir brauchen einander.
Unsere vermeintliche Freiheit und menschliche Autonomie scheint bedroht. Donna Haraways Forderung: Macht Euch verwandt – nämlich mit Pflanzen und Tieren – halte ich für einen wichtigen Beitrag zu unserer menschlichen Verantwortung in dieser Krise. Meine künstlerischen Arbeiten beschäftigen sich seit langem mit dieser Verwandtschaft zur Natur. Zum Wasser, zu den Steinen, zu den Pflanzen. Ich arbeite seit vielen Jahren immer wieder zum Thema Wald, manchmal arbeite ich auch direkt im Wald. Der Wald ist für mich ein Raum des Denkens, der Einbildungskraft, des Hin und Her-Gehens, des Verstecks und des Wachsens. Auch ungeheuerlich in der Nacht, gegenwärtig bin ich dort.
Mein wichtiger Lebensraum des Werdens, Verbundensein und der Veränderung.
Christian Eder
KONSTELLATIONEN ZWISCHEN LINIE UND RAUM
Christian Eder
behind the moon, 2019
Die Fragen nach den Möglichkeiten des Tafelbildes und des Sehens sind untrennbar mit den Veränderungen dessen, was wir (noch) als Gegenwart bezeichnen, verbunden. Dieses zunehmend brüchige Geflecht an Ordnungen, in dessen Zentrum Digitalisierung und künstliche Intelligenz bereits definieren, was Vergangenheit und Gegenwart ist, bildet den fragilen Bezugsrahmen, in welchem sie sich noch nicht eindeutig abbildet und erkennen lässt – die Zukunft. In welchen künftigen Ordnungen sich Sehen, Denken und Erkenntnis dann bewegen werden, ist noch offen.
Malerei stellt sich als zeitloses Medium der Multiplikation und dem Rastlosen des digitalen Abbildens entgegen: Sie verbindet Vergangenheit und Gegenwart in höchst unmittelbarer Form, die Wahrnehmung mit dem Tun und dem Begreifen – in ihrer sinnlichsten und lebendigsten Weise.
Harald Grünauer
ZEITMASCHINE
Harald Grünauer
Zeitmaschine IV, 2019 (Ausschnitt)
Meine Arbeiten des Zyklus Zeitmaschinen entstehen aus meiner Vorstellung vom Universum als ein imaginiertes/virtuelles Raum-Zeit-Gefüge, das weder Anfang noch Ende hat und in dem Vergangenheit und Zukunft permanent ineinander fließen. Diese Vorstellung möchte ich den Betrachter/innen so vermitteln, dass sie sich selbst als (imaginäre) Zeitreisende empfinden. Die Zeitmaschinen-Bilder sind gedacht als Transformatoren, die den Körper – als Vehikel – gedanklich in verschiedene Zeitzonen katapultieren. Wir bewegen uns ständig bewusst oder unbewusst auf
mehreren unterschiedlichen Zeitebenen, die sich permanent überlagern. Dabei entstehen Gedanken, die sich auflösen und wieder neu bilden. Wir können sie zu Ideen formen und eigene gedankliche Universen bilden, auch wenn sie nur aus Träumen oder Wünschen bestehen. Letztlich sind alle technologischen Erfindungen und Errungenschaften durch, mit und entlang der Zeit geschaffen worden, ohne immer im Zeitalter ihrer Umsetzbarkeit oder Beweisbarkeit angelangt zu sein.
Leonardo da Vincis Flugobjekte, die Features des Raumschiffs Enterprise oder Einsteins Gravitationswellen etwa waren schon da, kamen oder kommen aber viel später erst an. Meine großformatigen Zeitmaschinen-Bilder (Farbstiftzeichnungen auf Papier) entstehen in einem oft Monate langem Prozess eines teils automatistischen, teils kontrollierten Setzens, Aneinanderfügens und Komponierens piktoraler Strich, Punkt- und Zeichenelemente. Ihre Formen generieren sich aus Erinnerungen an sowohl eigene Erfahrungen mit Raum und Zeit als auch durch die Auseinandersetzung mit Science Fiction, Astronomie und kosmologischen Theorien. Ihren Betrachter/innen mögen sie ein weites Spektrum an Assoziations- und Interpretationsmöglichkeiten – nicht zuletzt zu eigenen inneren Befindlichkeiten und allgemeinen Fragen des Seins und Werdens – öffnen.
Im Künstlerhaus Bregenz bietet sich den Betrachter/innen die Möglichkeit, in dieses Zusammenspiel von Raum, Zeit und Materie gleichsam einzusteigen: In Zeitmaschine IV, einem zwanzig Meter langen, oval gekrümmten panoramaartigem Universum, schweben techno-, bio- und bisweilen anthropomorphe Figurationen durch gravitationsfreie Räume. Elemente, Apparate und Bausteine spiegeln hier eine transgene Funktion wider, während Mutationen und Verschmelzungen unsichtbare Räume öffnen. (Harald Grünauer, 2019)
Fotos: Ronja Svaneborg
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