„Lovers“
Margot Pilz
Ausstellungsdauer: 4.10. – 16.11.2025
Eröffnung: Freitag, 3.10.2025 um 19 Uhr
Bekannt wurde Margot Pilz in den späten 1970er Jahren mit einer Reihe ikonischer konzeptueller fotografischer Arbeiten, die ihren weiblichen Körper als Projektionsfläche und Widerstandsort gleichermaßen inszenierten. Ihre Selbstbildnisse, oft performativ angelegt und zugleich mit dem Medium der Fotografie experimentierend, gehören heute zu den zentralen Positionen feministischer Kunst in Österreich.
Pilz’ Umgang mit Bildproduktion war früh reflexiv: Sie unterlief die vermeintliche Objektivität des fotografischen Apparats durch Inszenierung und körperliche Geste – und stellte damit nicht nur Fragen nach Repräsentation und Selbstermächtigung, sondern auch nach der Medialität von Identität. Damit wurde sie zu und ist sie immer noch eine der wesentlichen Künstlerinnen der internationalen feministischen Avantgarde.
In den frühen 1990er Jahren wandte sie sich konsequent digitalen Technologien zu – zu einer Zeit, als die Kunstwelt digitale Medien noch weitgehend marginalisierte oder als technisches Nebenfeld verstand. Pilz entwickelte interaktive Installationen, multimediale Raumarbeiten und digitale Videos, in denen sich ihr Interesse an Körper, Zeit und Transformation in neuer Form artikulierte. Damit zählt sie zu den frühen Pionierinnen Digitaler Kunst in Österreich – ihre Arbeiten aus dieser Phase waren nicht nur ästhetische Experimente, sondern kritische Untersuchungen dessen, wie sich Wahrnehmung, Körperlichkeit und Subjektivität unter digitalen Vorzeichen neu konstituieren.
Im Zentrum dieser Ausstellung stehen neue und aktuelle Arbeiten, in denen Pilz ein Thema aufgreift, das im gesellschaftlichen und künstlerischen Diskurs bis heute an den Rand gedrängt bleibt: das Altern – und insbesondere die Körperlichkeit und Sexualität im Alter. Sie richtet den Blick nicht auf den Verlust, nicht auf das Verschwinden, sondern auf das Weiterbestehen von Begehren, Sinnlichkeit und Widerstandskraft im gelebten Körper. Das Altern wird nicht verklärt, sondern konfrontativ sichtbar gemacht – als biografische Realität und als gesellschaftlich unterdrückte Zone.
Die Arbeiten stellen eine radikale Selbstbehauptung dar: Sie zeigen den alten Körper nicht als Objekt von Pflege, Mangel oder Defizit, sondern als Subjekt von Wahrnehmung, Lust und Präsenz. Pilz entzieht sich damit normativen Vorstellungen von „Spätwerk“ oder „Altersmilde“. Stattdessen verfolgt sie mit großer konzeptueller Klarheit und ästhetischer Entschlossenheit ihren zentralen Topos: die Sichtbarmachung eines weiblichen Selbst, das sich nicht auf Rollen, Zuschreibungen oder biologische Grenzsetzungen reduzieren lässt.
Zwei Installationen hat Margot Pilz eigens für die Ausstellung in Bregenz konzipiert. Das Künstlerhaus befindet sich im ehemaligen Palais Thurn und Taxis. Im 16. Jahrhundert begründete die Familie von Thurn und Taxis die Kaiserliche Hofpost und damit den Ursprung der heutigen Post. Darauf bezugnehmend entwickelte Pilz die lyrische Installation My Dead Lovers – ein dynamisches Raumkonstrukt mit Briefen an ihre toten Liebhaber, eine poetische Reflexion über die eigene Geschichte des Begehrens.
Happy Crappy Age zeigt neue Fotografien der Künstlerin und ihres letzten Lebensgefährten, Ernst Beranek, verbunden mit grafischen Elementen einer älteren digitalen Medienarbeit: Gasoline Tango. 15 transparente Plexiglasplatten, auf die die Fotos gedruckt sind, schweben im Raum. Sie überlappen einander, und durch die Transparenz entsteht eine gewisse Leichtigkeit. Jedoch wird diese fragile Leichtigkeit der Präsentation durch die zweifelnden, manchmal grüblerischausdrucksstarken Porträts von Pilz und ihrem Lebensgefährten konterkariert.Die darübergelegten Elemente der Videoarbeit aus dem Jahr 1989 verbinden die Altersporträts mit der künstlerischen Geschichte, den Formen des Aufbruchs, einer pulsierenden Lebensader ähnlich.
Ein weiteres Thema, das sich durch ihr OEuvre zieht, ist die Natur, oder besser: das Verhältnis des Menschen zur Natur. So stellte Margot Pilz schon 1991, in den Anfängen des Internets, bei der Ars Electronica ein skulpturales Orakel mit dem Titel Delphi Digital aus, über das man Fragen über den Zustand der Erde stellen konnte – und die von internationalen Experten online beantwortet wurden. In den aktuellen fotografischen Serien Restnatur, Touching Nature und Transition reflektiert die Künstlerin ihre Sehnsucht und ihr politisches Engagement, sich als Mensch als ein Teil von Natur zu empfinden, im Wissen um den zerstörerischen Umgang des Menschen mit den vorgefundenen Ressourcen.
Diese Ausstellung ist mehr als eine Retrospektive im klassischen Sinn. Sie ist eine Rückforderung von Raum, Geschichte und Aufmerksamkeit – nicht als Korrektur einer fehlenden Sichtbarkeit, sondern als Infragestellung der Kriterien, nach denen Sichtbarkeit verteilt wird. Margot Pilz’ fulminantes Werk verweist auf die Brüche der kunsthistorischen Überlieferung – und zugleich auf das Potenzial eines künstlerischen Denkens, das sich mit starken Arbeiten dem Verstummen widersetzt.
(Text Andreas Hoffer, Kurator)
Fotos: Florian Raidt