Jährlich lädt die Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs internationale Kunstschaffende dazu ein, für drei Monate – im Rahmen einer Residency – in Bregenz zu leben und zu arbeiten. Die ehemaligen Stallungen des Palais Thurn und Taxis dienen dafür als Atelier. Die Residency geht zudem mit einer kleinen Präsentation im Atelier oder Ausstellung im Künstlerhaus einher.
Mit der Reihe FRAGEN AN sollen die Künstlerinnen und Künstler einen kleinen Einblick in ihr Schaffen und ihre Zeit in Bregenz geben.
Mahmut Celayir war als Artist in Residence von Mitte November 2023 bis Mitte Januar 2024 im Atelier des Künstlerhauses Bregenz.
5 FRAGEN AN MAHMUT CELAYIR
Was waren wichtige Stationen deiner künstlerischen und beruflichen Tätigkeit?
Natürlich gibt es in meinem Kunstleben viele wichtige Stationen, die mich motivieren und neue Bereiche eröffnen. Meine erste Station war meine erste Ausstellung in Istanbul im Jahr 1977, direkt nach meiner Kunstausbildung. Um Geld zu verdienen, arbeitete ich später in der Bühnendekoration bei Fernsehen und Theater. Ich habe am wichtigsten Kunstwettbewerb der Türkei mit einer Arbeit teilgenommen, an der ich am Wochenende gearbeitet habe. Und ich habe den Hauptpreis gewonnen. Das gab mir den Mut, als professioneller und freiberuflicher Künstler zu arbeiten. Als ich dann Ende der 1980er Jahre nach Deutschland kam, begann für mich eine völlig neue Ära. Es war sehr spannend, das Kunstpotenzial vor Ort genau kennenzulernen. Es war nicht einfach, in Deutschland erneut als Künstler akzeptiert zu werden, es hat Jahre gedauert. Mein erstes bedeutendes Debüt in Deutschland, Anfang der 2000er Jahre war eine Ausstellung in der Städtischen Galerie Waiblingen. Noch eine wichtige Station war meine umfassende Ausstellung, die 2008 in den Museen der Stadt Kornwestheim stattfand. Ich hatte die Möglichkeit, meine großformatigen Gemälde im großen Raum des Museums auszustellen. In der Ausstellung, die nach dem Gezi-Widerstand in der Türkei in der Galerie Judith Andreae in Bonn stattfand, wollte ich die Hoffnungen und die Dramatik dieses Widerstands zum Ausdruck bringen. Schließlich präsentierte ich mit der retrospektiven Ausstellung, die 2022 in der İşbank Art Gallery in Istanbul gezeigt wurde einen Überblick über meine bisherige Arbeit mit einem umfassenden Katalog.
Wie würdest du dein künstlerisches Schaffen beschreiben?
Mein Arbeitsgebiet ist die Malerei. Die Natur ist für mich ein unveränderliches und nie endendes Thema. Vor allem die Natur, in der ich aufgewachsen bin und die ich gut kenne, stellt für mich das Hauptmaterial meiner malerischen Arbeiten. Ich bemühe mich, mit diesem lokalen Material eine neue und zeitgenössische Bildsprache in meiner Kunst zu schaffen. Der Texturreichtum des Bodens, die kosmische und transparente Textur des Himmels, nutzbare vitale organische Formen und die durch Licht und Schatten erzeugten Spannungsfelder bilden die Codes der Bildausschnitte.
In gewisser Weise versuchen ich als Maler, die Veränderungen, Projektionen und Werke zwischen Geburt und Tod durch die Natur mitzuerleben. Ich will einen Bewegungsrhythmus, eine freie Bewegung der Form einfangen. Mit diesem Verständnis bewege ich mich zu abstrakten Ausdrucksformen, ausgehend von organischen Formen. Was verstehen wir unter der heutigen Natur oder Landschaftsmalerei ? Wo liegt ihr Herz und ihre Veränderungen in der Kunstgeschichte ? Heute treten die Probleme auf, die durch die Natur- Mensch-Beziehungen, die Konsumgesellschaft, politische und militärische Eingriffe in die Natur entstehen Dies sind die auch die Gedankenanstösse meiner Malerei.
Inwieweit inspiriert bzw. beeinflusst dich Bregenz als vorübergehender Wohnort?
Zuallererst verspürte ich Spannung und Neugier auf die Entdeckung einer neuen und unbekannten Region. Die Beziehung der Stadt zum Wasser einerseits und ihre von Bergen umgebene Lage andererseits bieten eine ganz besondere und vielseitige geografische Lage. Das Beobachten der täglichen Veränderungen des Sees, dem ich jeden Tag auf dem Weg zum Atelier begegnete , gab mir einen Grund, den Tag gut zu beginnen. Weil ich in einer Bergregion aufwuchs, empfand ich mit den Bergen im Hintergrund ein sehr vertrautes Gefühl der Sicherheit. Eine weitere inspirierende Quelle war es, vom Balkon meiner Unterkunft aus das Sonnenlicht auf den Bergen zu beobachten. Hier traf ich Menschen, die die Natur respektieren, ihre Stadt lieben und bewahren. Die Beziehung, die ich durch das große Fenster meiner Werkstatt mit der Außenwelt hatte, genoss ich. Ich habe neue und schöne Bekanntschaften gemacht. Trotz der geringen Größe der Stadt war die kulturelle und künstlerische Dynamik überraschend. Ich habe neue Freunde an neuen Orten gefunden.
Spielt der Ausstellungsort – in diesem Fall das Palais Thurn und Taxis in Bregenz – eine wichtige Rolle für deine Ideen und Vorhaben einer Ausstellung? Was können wir in der Ausstellung, die am 19. Januar 2024 eröffnet wird, erwarten?
Da mir im obersten Stockwerk des Palas Thurn und Taxis ein spezieller Platz für eine Ausstellung mit Licht von oben und sehr breiten Wänden zur Verfügung steht, habe ich meine Arbeit von Anfang an auf diesen Ort ausgerichtet. Wenn man den Saal zum ersten Mal betritt, da ist eine sieben Meter lange Wand direkt vor dir und das ist die Fernperspektive auf dieser Wand. Ich wollte ein besonderes Gemälde für dieses Wand anfertigen. Großformatige Arbeiten bieten mehr Möglichkeiten, die Mobilität zu schaffen, die ich mir wünsche. Deshalb suche ich in Galerien immer nach breiten Wänden. Ich habe diese Chance hier genossen und ein umfangreiches Werk geschaffen. In dieser Arbeit habe ich ausgewogene Übergänge zwischen Himmel und Erde in einem kosmischen Naturbild gemalt. Ich habe versucht, mit Collagen, Farbflecken und Linien einen vielschichtigen und dynamischen Raum zu schaffen. Gleichzeitig herrscht hier ein Verhältnis von Chaos und Ordnung. Darüber hinaus befindet sich an den Seitenwänden der Ausstellung eine Serie von zehn Kleinformaten Gemälden unter dem Namen „Königsstraße“. Dies sind Bilder von alten Straßenspuren, die die Erinnerung an das Land in der Geographie, aus der ich komme, in Frage stellen. An der gegenüberliegenden Wand hängen Gemälde mit visuellen Motiven, die sich auf die Natur Vorarlbergs beziehen, mit Licht- und Schattenkontrasten. So stellen diese beiden gegenüberliegenden Wände symbolisch und visuell einen Dialog mit den Spuren zweier unterschiedlicher Geografien her.
Wie sehen deine Planungen für das Jahr 2023 aus – gibt es interessante Projekte und Ausstellungen, von denen du uns erzählen möchtest?
Die wichtigste Entwicklung für mich im Jahr 2024 war meine Einladung zur 18. Istanbul Biennale. Leider wurde dieses Programm aufgrund einiger institutioneller Probleme verschoben. Außerdem erhielt ich das Angebot, mit einem Kurator in einer neu eröffneten Galerie in Istanbul zusammenzuarbeiten. Mit dieser Galerie werde ich voraussichtlich auf der Kunstmesse Istanbul Contemporary auftreten, die nächsten Herbst eröffnet. Außerdem werden wir uns im nächsten Sommer mit meinen Künstlerfreunden Alfred Graf und Ruth Biller in meiner Heimatort treffen. Wir planen, dort ein gemeinsames Projekt zu Natur und Erinnerung zu entwickeln.
Ich bin mir jedoch sicher, dass sich im Laufe der Zeit neue Entwicklungen und Arbeitsbereiche ergeben werden.
Ruth Biller war als Artist in Residence vom 1. November 2022 bis 31. Januar 2023 im Atelier des Künstlerhauses in Bregenz.
4 FRAGEN AN RUTH BILLER
Was waren wichtige Stationen deiner künstlerischen und beruflichen Tätigkeit?
Natürlich stellt die Kunststudienzeit (Kunstakademie Stuttgart) eine wichtige Weiche: allerdings…für mich war dann ein Aufenthalt im Ausland sehr entscheidend. Künstlerisch positioniert hat mich meine Zeit in Amsterdam 1986 während meines Studiums. Eine wichtige Phase, die kurz danach zu Ausstellungen in Galerien und Kunstvereinen und zu einiger Aufmerksamkei führte. Meine Teilnahme an der Ausstellung „Berlin März 90“ im Wendejahr mit Positionen bedeutender Künstler wie Olaf Metzel, Rosemarie Trockel, Hans Haake,..zu Deutschland in Berlin und im Kunstverein Braunschweig war ausschlaggebend für meine Zukunft und für die Beschäftigung mit der spannenden Stadt Berlin, in der ich nun seit über 23 Jahre wohne. 2023 konnte ich ein Jahr in der Stiftung Starke im Grunewald arbeiten, eine Residency mit wunderbarer Ausstellungsfläche und historischen Parks.
Seit 2004 ist die Metropole Istanbul eine dauerhafte Station. Das Kunstprojekt „Passagen“ im dortigen Goetheinstitut war der Anfang einer bis heute anhaltenden künstlerischen Auseinandersetzung, so zuletzt 2017 die Ausstellung „Storyteller“ zusammen mit Jan Kuck und Serkan Küçüközcu. Dort arbeite ich seit der Gründung mit der Galerie Anna Laudel. Auch die Zeit in Miami 2008 und 2009 habe ich künstlerisch verarbeitet und beruflich genutzt. In Miami-Beach habe ich vor Ort Gebäude aus der Art-Deco-Zeit gezeichnet. Die drei Monate in Bregenz waren eine intensive Zeit, die Eindrücke der Umgebung und das Künstlerhaus, dessen Künstlermitglieder Ausstellungen planen und umsetzen, das ist beeindruckend. Bregenz gehört zu meinen Stationen, die nachhaltig wirken.
Wie würdest du dein künstlerisches Schaffen beschreiben?
Mein Ausgangspunkt ist die Malerei, die Grafik und die experimentelle Druckgrafik. Dabei verwende ich z.B. Ölfarbe, Gouache für Leinwand und Papierbilder. Druckgrafische Serien entstehen vor oder parallel zur malerischen Ideenentwicklung und offenbaren durch die Spontaneität der Ausführung den Weg zum Einzelbild auf der Leinwand. Im Druckprozess bediene ich mich massenmedialen Maschinen, die aus der Zeit gefallen sind und ihren gewerblichen Zweck verloren haben. Ohne Respekt manipuliere ich die Walzen und Oberflächen des Mediums, montiere einzelne Ausschnitte manuell und erreiche pro Blatt der Reihe ein Einzelstück.
Meine Projekte sind oft konzeptionell und prozesshaft. Denn manche Ideen verlangen eine Kombination, um sich eines Themas von verschiedenen Perspektiven aus mittels abwechselnder Medien anzunähern. In meiner Arbeit untersuche ich Elemente der Bewegung in Zusammenhang mit Gespür und Gedächtnis. Ich bearbeite dokumentarische und eigene Aufnahmen meiner Umgebung, Eindrücke von Orten und versetzte diese in eine choreografische
Topografie visueller Spuren. Mit der Verknüpfung mit historischen Ebenen möchte ich einen Spannungsbogen erzeugen, der nicht nur die Ursprünge kultureller Wahrnehmung vernetzt, sondern über die sinnliche Realität hinausgeht, Absurditäten der heimatlichen Verwurzelung, verlassene Plätze, Prozesse der Transformation spiegelt und neu verdichtet. In meinen Projekten verbinde ich malerische Aspekte mit Medien wie Film, Tanz, Musik, Architektur mit dem Ziel, gemeinsam auf die zukünftigen Möglichkeiten gestalterischen Umgangs mit Ressourcen hinzuweisen.
Inwieweit inspiriert bzw. beeinflusst dich Bregenz als vorübergehender Wohnort?
Als visueller Mensch hat mich die Lage der Stadt zwischen Berg und See inspiriert. Meine Idee einer fliessenden, stofflich atmosphärischen Umgebung war greifbar. Über Einblicke in die Ateliers und Werkstätten von Künstlern haben sich Kontakte ergeben, die für meine Recherche extrem hilfreich waren. Viele wussten etwas zu meinem Thema und die Quellen führten mich meist zu neuen interessanten Menschen. Ich finde es inspirierend, dass Tradition mit Moderne gerade in der Architektur in Vorarlberg zusammenfindet. Es gibt eine Sensibilität für ökologische Baukunst, Holz und Nachhaltigkeit. Man spürt, dass die Menschen sehr existenziell von der Natur abhängig sind, aus reicher Erfahrung schöpfen und agieren. In Vorarlberg waren die Menschen aufeinander angewiesen und diese Idee der Aufmerksamkeit wirkt auch weiter.
Wie sehen deine Planungen für das Jahr 2023 aus – gibt es interessante Projekte und Ausstellungen, von denen du uns erzählen möchtest?
Mai 2023 werde ich auf der ART Karlsruhe von der Galerie Anna Laudel vertreten. Bis dahin bereite ich gerade mit einer Kulturwissenschaftlerin einen Podcast des Kulturrings Berlin über meine Kunst vor. Das hat sich spontan nach meiner Rückkehr ergeben. Im September komme ich nach Vorarlberg zurück und es findet im Quadrart Dornbirn http://www.quadrart-dornbirn.com/ mit Alfred Graf eine gemeinsame Ausstellung statt. Es gibt noch weitere Stationen, die noch nicht fixiert sind, so im Kunstmuseum Singen.
Kristina Bengtsson und Kevin Malcolm waren gemeinsam als Artists in Residence vom 1. November 2021 bis 31. Januar 2022 im Atelier des Künstlerhauses in Bregenz.
5 FRAGEN AN KRISTINA BENGTSSON
Was waren wichtige Stationen deiner künstlerischen und beruflichen Tätigkeit?
Die Vorbereitung und Durchführung der Ausstellung war definitiv eine wichtige Etappe sowohl in der künstlerischen als auch in der beruflichen Tätigkeit. Wir haben uns sehr gefreut, dass vier der Künstler trotz der Lockdown-Situation kommen und ihre Werke installieren konnten. Auch die Ausstellungseröffnung war eine wichtige Etappe und es war spannend, einige der Vorstandsmitglieder und andere Kulturschaffende in Bregenz und Umgebung zu treffen. Die folgenden zwei Monate waren großartig, um zu arbeiten und zu denken, ohne den Druck, etwas zu Ende zu bringen. Diese Reihenfolge der Dinge hat für einen kreativen Residenzaufenthalt wirklich gut funktioniert.
Wie würdest du dein künstlerisches Schaffen beschreiben?
Die eigentliche Arbeit ist oft eine Kombination aus Skulptur, Text und Fotografie. Normalerweise spiele ich viel mit Wörtern und Bedeutungen, entweder in den Titeln oder als separates Werk. Die Arbeiten werden oft als Installation ausgestellt, bei der jede Komponente einen Ort und eine Funktion hat. Mein Prozess besteht aus Lesen, Schreiben und ich finde Inspiration in der zeitgenössischen Politik und Kultur. Ich interessiere mich besonders für die Funktion und Organisation der Arbeit.
Inwieweit inspiriert bzw. beeinflusst dich Bregenz als vorübergehender Wohnort?
In Bregenz und Vorarlberg zu sein, war sehr inspirierend, wie Zeit, Funktion und Pflege anders miteinander verwoben waren als in Skandinavien. Eine andere Art von Landschaft und Mentalität zu sehen und zu leben, war sehr inspirierend. Die Berge neigten dazu, dass ich mich klein und in gewisser Weise unbedeutend im weiteren Sinne fühlte. Das war ein seltsames und interessantes Gefühl, das mich sicherlich dazu inspiriert hat, anders zu denken und mit meiner Arbeit umzugehen.
Spielt der Ausstellungsort – in diesem Fall das Palais Thurn und Taxis in Bregenz – eine wichtige Rolle für deine Ideen und Vorhaben einer Ausstellung?
Der Ausstellungsort spielt meiner Meinung nach immer eine Rolle, wie und was man in einem Raum produzieren kann. Das Palais Thurn und Taxis ist ein Veranstaltungsort mit viel Geschichte und die Tatsache, dass der Veranstaltungsort mit dem Künstlerverein verbunden ist, macht es zu einer ermächtigenden Geschichte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Es fühlt sich an wie ein Ort für Künstler und von Künstlern. Auch die Größe der Location ist fantastisch, man hat nicht oft die Möglichkeit sich in vielen Räumen zu entfalten.
Wie sehen deine Planungen für das Jahr 2022 aus – gibt es interessante Projekte und Ausstellungen, von denen du uns erzählen möchtest?
Kevin und ich werden eine Duo-Ausstellung während der Art Week in Kopenhagen haben, das wird Anfang Juni sein, also sind wir noch nicht genau sicher, was wir ausstellen werden. Ich werde im November eine Einzelausstellung haben, dafür arbeite ich an einem neuen Künstlerbuch, also werde ich das neben einigen kleineren Arbeiten an der Wand ausstellen. Hour Editions wird an zwei Buchmessen teilnehmen, eine in Malmö und eine in Kopenhagen.
5 FRAGEN AN KEVIN MALCOLM
Was waren wichtige Stationen deiner künstlerischen und beruflichen Tätigkeit?
Zunächst war das Ankommen und Kennenlernen der Stadt, des Ateliers und des Palais spannend. Danach wurde die erste Zeit der Ausstellung gewidmet. Insbesondere die Organisation der Werke, Transport, Anreise und Unterkunft für die anderen teilnehmenden Künstler, aber auch die eigene Produktion neuer Werke für die Ausstellung.
Wie würdest du dein künstlerisches Schaffen beschreiben?
Meine interdisziplinäre Praxis umfasst neben dem Veröffentlichen und Organisieren von Ausstellungen auch Bildhauerei, Fotografie und Video. Beeinflusst durch eine Ausbildung in Geographie, interessiere ich mich für unsere Beziehungen zu Orten und die Strukturen, die sie prägen. Meine Arbeiten beziehen sich oft auf bestimmte Orte und zielen darauf ab, Bewegungen zwischen individuellen und kollektiven Identitäten abzubilden, die an Orten eingebettet sind.
Inwieweit inspiriert bzw. beeinflusst dich Bregenz als vorübergehender Wohnort?
Es war inspirierend, hier zu leben und zu arbeiten und über einen längeren Zeitraum eine andere Kunstszene zu sehen. Die Lage direkt neben Deutschland und der Schweiz und mit den Alpen im Rücken sorgte für ein dynamisches Raumgefühl, das meine Zeit hier sehr beeinflusst hat.
Spielt der Ausstellungsort – in diesem Fall das Palais Thurn und Taxis in Bregenz – eine wichtige Rolle für deine Ideen und Vorhaben einer Ausstellung?
Es war ein großer Luxus, einen ganzen Monat vor der Ausstellung und auch für die Dauer der Ausstellung Zugang zum Veranstaltungsort zu haben. Selten hat man die Möglichkeit, eine Ausstellung so oft zu besuchen. Das Palais spielte sicherlich eine Rolle bei der Planung der Ausstellung; die Dimensionen der Räume, die Aussicht, ihre Geschichte und die Verbindung zum Künstlerverein, all diese Faktoren haben unsere (und einige der anderen Künstler) Ideen für die Ausstellung beeinflusst.
Wie sehen deine Planungen für das Jahr 2022 aus – gibt es interessante Projekte und Ausstellungen, von denen du uns erzählen möchtest?
Derzeit habe ich eine Ausstellung bei Stereo Exchange, in der ich einige Arbeiten zeige, die ich während meines Aufenthalts in Bregenz gemacht habe. Kristina und ich werden eine Duo-Ausstellung im Tørreloft in Kopenhagen haben und dann an der Künstlerbuchmesse Malmö und der Chart Art Fair, ebenfalls hier in Kopenhagen, teilnehmen. Ich werde weiter am Ausstellungsprogramm in Vermilion Sands arbeiten.
Marlene Hausegger und Hannes Zebedin waren gemeinsam als Artists in Residence vom 1. November 2020 bis 31. Januar 2021 im Atelier des Künstlerhauses in Bregenz.
5 FRAGEN AN MARLENE HAUSEGGER
Was waren wichtige Stationen deiner künstlerischen und beruflichen Tätigkeit?
Meine Residencies und Arbeitsaufenthalte u. a. in Tirana, Belgrad, Mexico City und New York.
Wie würdest du dein künstlerisches Schaffen beschreiben?
Temporäre Installationen im öffentlichen Raum, die von meinem Interesse für das Alltägliche und für gesellschaftspolitische Prozesse geprägt sind. Begleitende Zeichnungen, Collagen und Fotografie.
Inwieweit inspiriert bzw. beeinflusst dich Bregenz als vorübergehender Wohnort?
Unsere Residency fiel genau in die Zeit des zweiten und dritten Lockdowns und stellte sich nicht nur als bereichernder Tapetenwechsel, sondern auch als produktiver Arbeitsaufenthalt heraus. Die Möglichkeit im Druckwerk Lustenau Lithografien anzufertigen und eine neue Technik zu lernen war fantastisch.
Spielt der Ausstellungsort – in diesem Fall das Palais Thurn und Taxis in Bregenz – eine wichtige Rolle für deine Ideen und Vorhaben einer Ausstellung? Was können wir in der Ausstellung, die am 10. Februar 2021 eröffnet wird, erwarten?
Bedauernderweise waren die vielen interessanten Museen in der Umgebung während unseres Aufenthalts nur für eine kurze Zeit geöffnet. Meine Installation „Stumme Signale“ am Dach des Palais reagiert auf die spezielle Situation der geschlossenen Ausstellungshäuser. Es ist ein Versuch, der Funktion des Museums als Sender und Empfänger symbolisch ein Forum zu geben.
Wie sehen deine Planungen für das Jahr 2021 aus – gibt es interessante Projekte und Ausstellungen, von denen du uns erzählen möchtest?
Mein nächstes Projekt findet im Frühling in Athen in Kooperation mit der Galerie THE BREEDER statt. Weiters gibt es wieder eine Einladung nach Pakistan, wobei sich noch herausstellen wird, ob diese Reise möglich sein wird.
5 FRAGEN AN HANNES ZEBEDIN
Was waren wichtige Stationen deiner künstlerischen und beruflichen Tätigkeit?
Ich würde mal mit Wien beginnen, da ich dort studiert habe, dann haben sich durch meine künstlerische Arbeitsweise weitere Orte, Länder ergeben, wie Hamburg, Bosnien, Mexiko, Norwegen, Puerto Rico, Serbien, Russland, Detroit …. Die Orte betrachte ich als Schnittmenge von Einladungen, Ausschreibungen und eigenen Interessen. Vor ca. 10 Jahren begann ich gemeinsam mit zwei Künstlerkollegen die postindustrielle belgische Stadt Charleroi zu erforschen und eigenständige Kunstprojekte dort zu realisieren. Die Erfahrungen aus diesem etwa 5-jährigen Projekt wollte ich dann auf eine Region übertragen, die mir sehr am Herzen liegt: Die Alpen-Adria-Region, der Übergang von den Alpen hin zur Adria, der die Länder/Gebiete Slowenien, Kärnten, Istrien und Friaul umfasst. Ich lebe seit ca. 6 Jahren mehr oder weniger konsequent in dieser Gegend und versuche dies auch in meinen Projekten zu reflektieren.
Wie würdest du dein künstlerisches Schaffen beschreiben?
Untersuchung räumlicher Strukturen hin auf deren sozialen, politischen, geografischen und historischen Eigenschaften, die mittels performativer/bildhauerischer Elemente inszeniert werden und den*die Besucher*in einladen, sich in bestimmte Situationen zu versetzen.
Inwieweit inspiriert bzw. beeinflusst dich Bregenz als vorübergehender Wohnort?
Sehr, ich war bis jetzt immer nur sehr kurzfristig in Bregenz, obwohl ich schon öfter künstlerisch in Vorarlberg war (Kunstforum Montafon, SilvrettAtelier, Interventionen in Schruns und Nenzing). Scheinbar ist Vorarlberg doch nicht so klein. Generell interessiert mich hier die Architektur und das Handwerk, das Dreiländereck, der Nebel und der Übergang von ländlichen und urbanen Gebieten.
Spielt der Ausstellungsort – in diesem Fall das Palais Thurn und Taxis in Bregenz – eine wichtige Rolle für deine Ideen und Vorhaben einer Ausstellung? Was können wir in der Ausstellung, die am 10. Februar 2021 eröffnet wird, erwarten?
Ja, ich werde die Architektur des Raumes verwenden, um meine Erzählung darin einzusetzen. Eigentlich wollte ich meinen Aufenthalt nutzen, um Architektur-Erforschungen in Vorarlberg und Graubünden zu unternehmen, dies ist durch Covid19 natürlich nicht mehr in dem Umfang möglich, aber ich werde den Raum mit Architekturelementen aus dem Alpen-Adria-Raum versehen, um das Leben und Sein im gegenwärtigen Europa anzusprechen. Ich glaube es könnte interessant werden, meine Interpretationen der Alpen-Adria-Region in der Bodenseeregion zu verankern, da die Regionen ja ähnliche Strukturen haben.
Wie sehen deine Planungen für das Jahr 2021 aus – gibt es interessante Projekte und Ausstellungen, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich möchte einen Katalog meiner künstlerischen Arbeiten produzieren. Ich finde dabei interessant, dass der Großteil meiner Arbeiten zwischen zwei Krisen entwickelt wurde, der Wirtschaftskrise von 2008 und der laufenden Covid19-Krise. Weiters stehen Projekte im öffentlichen Raum an, eines ist entlang der Großglockner Hochalpenstraße und eines am Semmering. Im April sollte ein künstlerisches Forschungsprojekt in Pakistan vonstattengehen, wo ich aber selbst nicht weiß, wie das in diesen Zeiten funktionieren soll.
Fotos: Florian Raidt